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Bußgeld

Mit Beschluss vom 18.06.2021, Az. 2 Ss (Owi) 69/21 hat der für Bußgeldsachen zuständige zweite Senate des OLG Celle entschieden, dass Messungen mit dem Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 derzeit nicht mehr als standardisiertes Messverfahren angesehen werden können. Es hat daher eine Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und den Vorgang dorthin zurückverwiesen.

Das Amtsgericht muss nun wohl mittels Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens überprüfen lassen, ob die Messung mit dem verwendeten Messgerät in dem konkreten Fall ordnungsgemäß gewesen ist.

Ob die Gerichte bei der Menge an Verfahren aber tatsächlich in jedem Fall solche Gutachten beauftragen werden oder aber ob es nicht zu anderen Verfahrensbeendigungen, z. B. durch Einstellung des Verfahrens, kommen wird, bleibt abzuwarten.

Jedenfalls greift das OLG Celle die Bedenken bzgl. des Messgerätes, vgl. https://www.kanzlei-hgk.de/messungen-mit-leivtec-xv3-fehlerhaft/ auf. Eine Verurteilung ohne sachverständige Begutachtung scheint derzeit in diesen Verfahren jedenfalls nicht denkbar.

UPDATE 06.07.2021

Mir liegt aktuell in einem von mir betreuten Verfahren ebenfalls ein entsprechender Beschluss des OLG Celle vor, Beschluss vom 29.06.2021, 2 Ss OWI 57/21. Das Urteil des Amtsgerichts wurde aufgehoben und der Vorgang ebenfalls an das Amtsgericht zurückverwiesen. Aufgrund der abschließenden Stellungnahme der PTB https://www.ptb.de/cms/fileadmin/internet/fachabteilungen/abteilung_1/1.3_kinematik/1.31/ PTB_Stellungnahme_XV3_Abschluss.pdf geht der Senat des OLG Celle nicht mehr von einem standartisierten Messverfahren bei dem in Rede stehenden Messgerät aus.

Entscheidung des OLG Celle: Anspruch des Betroffenen auf Herausgabe der Rohmessdaten (OLG Celle Beschluss vom 16.06.2016, 1 Ss OWi 96/16)

Es ist schnell passiert, dass man heutzutage „geblitzt“ wird. Immer mehr Städte und Landkreise machen recht aggressiv Jagd auf Temposünder, nicht nur zur Sicherung des Verkehrs, sondern natürlich auch zum Füllen des eigenen Haushaltes.

Viele Betroffene sind der Meinung, eine Geschwindigkeitsmessung könne nicht angegriffen werden, so dass sie das entsprechende Bußgeld oftmals ohne jeglichen Widerstand akzeptieren. Gegenteiliges, das nämlich sehr häufig für den Betroffenen positive Ergebnisse erzielt werden, lässt sich jedoch aus unserer rechtsanwaltlichen Praxis ersehen.

Denn neben formalen Fehlern, Problemen bei der Identifizierung des Fahrzeugführers aufgrund von schlechten Messbildern, ist auch immer die grundsätzliche Fehlerhaftigkeit einer Messung, insbesondere bei mobilen Messsystemen, ein Einfallstor für die rechtsanwaltliche Verteidigung.

Entsprechend kann ich nur dazu raten, gerade wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht, einen entsprechenden Vorgang in die rechtsanwaltliche Prüfung zu geben.

Gerade bei der Messung als solche passieren immer wieder zum Teil grobe Fehler durch oftmals schlecht oder gar nicht geschulte Messbeamte bzw. einfach dadurch, dass sich aufgrund der Häufigkeit von Messungen Fehler einschleichen.

Diese Fehler aufzudecken ist eigentlich die Aufgabe des Gerichts, in der Praxis jedoch im Grunde lediglich Aufgabe der Verteidigung, da die Gerichte eine Ordnungsgemäßheit der Messung letztlich fast immer unterstellen. Daher ist es umso notwendiger den Akteninhalt der Bußgeldakte mit den Anforderungen der Bedienungsanleitung bezüglich der Ordnungsgemäßheit der Messung in Abgleich zu bringen. Ob der Betroffene oder der Rechtsanwalt einen Anspruch auf Einsicht in diese Bedienungsanleitung hat, ist seit Jahren heftig umstritten.

Gleiches gilt für die Frage, ob dem Rechtsanwalt sowie den Betroffenen Einblick in die Rohmessdaten der entsprechenden Messung gewährt werden muss, da nur über diese Daten eine Prüfung der Messung auf ihre Ordnungsgemäßheit möglich ist. Diese Frage wird von den Gerichten in der jüngsten Rechtsprechung sehr kontrovers diskutiert. Dabei ist zu erkennen, dass vor allen Dingen in der Rechtsprechung der Amtsgerichte die Tendenz überwiegt, einen entsprechenden Antrag der Verteidigung stattzugeben. Demgegenüber obwiegt derzeit noch die obergerichtliche Rechtsprechung, wonach die Rohmessdaten nicht zwingender Aktenbestandteil sind und daher der Verteidigung und den Betroffenen nicht zur Verfügung gestellt werden müssen.

Diese Rechtsprechung ist insofern misslich und zudem auch denkunlogisch, da wie bereits beschrieben, die Gerichte letztlich eine Ordnungsgemäßheit der Messung unterstellen und der Verteidigung abverlangen, Gegenteiliges nachzuweisen bzw. etwaige Fehler aufzuspüren. Gleichzeitig aber wird der Verteidigung nicht das notwendige Mittel in die Hand gegeben, um diese Fehler überhaupt aufspüren zu können, nämlich eben oftmals die fehlende Bedienungsanleitung und/oder die fehlenden Rohmessdaten.

Dass eine solche Rechtsprechung für den Betroffenen schädlich ist und diesem einen Vortrag in der Sache abverlangt, dem dieser mangels entsprechender Information gar nicht leisten kann, hat nunmehr der erste Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Celle in einer sehr lesenswerten Entscheidung verbrieft.

Demnach ist es angezeigt, dass das Gericht den Betroffenen auf dessen Antrag hin die entsprechenden Daten zur Verfügung stellt bzw. wenn diese Daten nicht Teil der Bußgeldakte sein sollten, eben dafür sorgt, dass die Daten auf anderem Wege zum Betroffenen gelangen.

Die Entscheidung des OLG Celle ist damit eine der wenigen obergerichtlichen Entscheidungen zu diesem Thema, welche im Sinne des Betroffenen positiv beschieden wurde.

Aufgrund der regional doch sehr unterschiedlich ausgeprägten Entscheidungslage in den jeweiligen Oberlandesgerichtsbezirken hat sich am Ende auch die Verteidigung hierauf einzustellen und letztlich an die örtlichen Begebenheiten anzupassen, bis eine etwaige höchstrichterliche Entscheidung zu diesem Thema vorliegt.

Entsprechend ermöglicht die jetzige Entscheidung des Oberlandesgerichts zumindest im hiesigen Oberlandesgerichtsbezirk der Verteidigung einen weiteren größeren Fuß in die Tür zu bekommen, wenn es darum geht, Messfehler aufzuzeigen und im Gerichtstermin günstige Ergebnisse zu erzielen.

Es ist zudem auch nicht ausgeschlossen, dass die Amtsgerichte eher dazu tendieren werden, kleinere Verstöße mittels einer Herabsenkung des Bußgeldes auf 55 EUR (dann werden keine Punkte eingetragen) zu begegnen, um den großen Aufwand der Herbeischaffung von Rohmessdaten zu umgehen.

Umso mehr ist es derzeit angezeigt, Messungen kritisch zu hinterfragen und nicht als unangreifbar hinzunehmen, denn dies sind sie oftmals nicht.

Wurden Sie daher geblitzt, weil Sie zu schnell gefahren sind, ein Rotlicht missachtet haben, oder einen zu geringen Abstand auf der Autobahn eingehalten haben, so wenden Sie sich gern an unsere Kanzlei. Die helfen Ihnen gerne weiter.