Menschen, die Opfer einer Straftat werden, haben regelmäßig einen Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz ( OEG ). Das OEG verweist hier wiederum bezüglich der zu gewährenden Leistungen auf die Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz. Das Opfer kann demnach also zum Beispiel die Kosten einer Heilbehandlung ersetzt bekommen oder erhält eine Opferrente.
Voraussetzung für den Erhalt von Leistungen nach dem OEG ist jedoch unter anderem, dass man Opfer eines tätlichen Angriffs geworden ist. In der Praxis scheitert der Anspruch oftmals daran, dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff nicht erfüllt ist.
Für den Fall einer Körperverletzung, z. B. Schlag ins Gesicht, lässt sich der Terminus des tätlichen Angriffs leicht begründen. Hier sind die Folgen für das Opfer aber regelmäßig nicht ganz so gravierend.
In anderen Bereichen ist es oftmals genau umgekehrt. Man denke zum Beispiel an Opfer von Stalking. Opfer von Stalking sind nach meiner Erfahrung in erheblichem Maße beeinträchtigt. Hier scheitern Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz aber sehr oft daran, dass kein tätlicher Angriff vorliegt, da der Täter halt auf psychischem Wege auf das Opfer einwirkt.
Beispielhaft sei auch auf den Fall einer Frau hingewiesen, welche als medizinische Masseurin selbstständig in ihren eigenen vier Wänden tätig gewesen ist. Dort hantierte jedoch ein Patient an sich herum und versperrte ihr, als diese ihn des Hauses verwies, den Ausgang aus dem Massageraum, so dass sie zunächst nicht herauskommen konnte. Erst nach energischem Zureden und einem beherztem Rempler in die Seite des Patienten konnte sie sich den Weg aus dem Raum bahnen. Die Folgen für sie waren gravierend.
Ihr Antrag auf Entschädigung nach dem OEG blieb jedoch erfolglos. Auch das gerichtliche Verfahren beim Sozialgericht sowie dem Landessozialgericht verlief ohne Erfolg.
Die Gerichte legten den Begriff des tätlichen Angriffs jeweils eng aus. Es habe zwar Gewalt gegeben, da auch das Versperren eines Fluchtweges durchaus den rechtlichen Gewaltbegriff erfüllt, ein tätlicher Angriff im Sinne der Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes liege aber nicht vor, da der Gesetzgeber bewusst nicht alle Opfer von Straftaten gleichermaßen in den Genuss von Leistungen nach dem OEG kommen lassen wollte.
Ob man diese Argumentation nun teilen möchte, sei mal dahingestellt. Es zeigt sich hier aber leider wie so oft das Ergebnis, dass die Gesetzgebung den tatsächlichen Entwicklungen hinterherhinkt. Denn im Bereich der Opferentschädigung wird es wohl weniger darauf ankommen, auf welche Art und Weise auf ein Opfer eingewirkt wurde, sondern welche Folgen die Tat für das Opfer gehabt hat.
Insofern bleibt nur zu hoffen, dass der Gesetzgeber im Sinne des Opferschutzes die Regelungen alsbald überarbeitet.
Auch wenn die junge Frau Leistungen nach dem OEG ( bisher ) nicht durchsetzen konnte, war das Verfahren für sie aber dennoch enorm wichtig, um sich zum einen mit den Folgen der Tat nochmals intensiv auseinandersetzen und zum anderen ihr Schicksal dem Gericht mitteilen zu können. Hierdurch wurde sie enorm gestärkt, so dass zumindest auf dieser Ebene etwas für sie gewonnen werden konnte. Auf der Opferentschädigungsebene blieb nur Bertolt Brecht: Wer kämpft kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.
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