Die Problematik:

Entfernt sich der Versicherungsnehmer einer Kaskoversicherung nach einem Verkehrsunfall unerlaubt vom Unfallort stellt sich vielfach die Frage, ob der Versicherer von seiner Pflicht zur Leistung, also zur Bezahlung des dem Versicherungsnehmers entstandenen Schadens an ihn, frei wird und er keinerlei Zahlung zu erbringen hat.

Hintergrund ist, dass im Rahmen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen vielfach vertragliche Obliegenheiten mit dem Versicherungsnehmer vereinbart werden und die Verletzung dieser Obliegenheiten dazu führen kann, dass der Versicherer gar nicht oder aber ggf. den Schaden nur teilweise zu regulieren hat.

 

Was sind Obliegenheiten?

Eine Obliegenheit ist letztlich eine Art Rechtspflicht, die gegen einen selber wirkt und deren Verletzung eine Reduzierung der eigenen Rechtsposition zur Folge hat. Die Verletzung von Obliegenheiten ziehen daher keinerlei Schadenersatzansprüche gegen denjenigen, der die Obliegenheit verletzt hat, nach sich, sondern führen dazu, dass der die Obliegenheit Verletzende seine eigene Rechtsposition schwächt. Im Rahmen von versicherungsrechtlichen Verträgen gibt es neben gesetzlichen Obliegenheiten, die sich also aus den Gesetzestexten ergeben, auch vertragliche Obliegenheiten. Diese muss der Versicherer mit seinem Kunden, also dem Versicherungsnehmer vereinbaren. Nach den Allgemeinen Kraftfahrtbedingungen (AKB) ist eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, nach einem Schaden die Hintergründe des Schadens aufzuklären. Diese sog. Aufklärungsobliegenheit verletzt der Versicherungsnehmer regelmäßig dadurch, wenn er sich nach dem Verkehrsunfall unerlaubt vom Unfallort entfernt. Denn beim Entfernen vom Unfallort können regelmäßig keinerlei Feststellungen getroffen werden, z.B. ob der Versicherungsnehmer alkoholisiert gewesen ist und wenn ja, in welcher Höhe.

 

Folgen der Verletzung:

Verlässt der Versicherungsnehmer daher den Unfallort, ohne irgendwelche Feststellungen zu ermöglichen, verstößt er nach der Rechtsprechung regelmäßig vorsätzlich gegen die entsprechende Obliegenheit. Dies führt sodann dazu, dass der Versicherer von seiner Leistungspflicht befreit wird. Einige Gerichte sehen in dem unerlaubten Entfernen vom Unfallort sogar eine Arglist des Versicherungsnehmers, so dass dieser noch nicht einmal einen Gegenbeweis dahingehend führen kann, dass sich seine Verletzung der Obliegenheit gar nicht ausgewirkt hat.

Dies führt dazu, dass der Versicherer sodann keinerlei Zahlung an seinen Versicherungsnehmer erbringen muss, wenn z.B. durch den Unfall das eigene Fahrzeug beschädigt wurde und der Versicherungsnehmer dies im Rahmen seiner Kaskoversicherung abrechnen möchte.

 

Fehlerhafte Vereinbarung?

Diese eben skizzierten Grundsätze gelten aber nur, wenn der Versicherer die vertragliche Obliegenheit wirksam mit dem Versicherungsnehmer vereinbart hat. Hieran fehlt es oft, da der Versicherer hierzu bestimmte gesetzliche Vorschriften einhalten muss. Nach dem Gesetzesinhalt muss er seinem Versicherungsnehmer darauf hinweisen, dass er (der Versicherer) ihm (den Versicherungsnehmer) in Textform darauf hinzuweisen hat, dass die Verletzung der Obliegenheiten zu einer Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung des Versicherungsnehmers führen kann. Nach aktueller Rechtsprechung des Landgerichts Berlin wird zum Teil vertreten, dass dieser Hinweis bereits in den Allgemeinen Vertragsbedingungen aufgenommen sein muss, was vielfach aber nicht der Fall ist. Insofern ist es sinnvoll, sich bei der Verletzung von vertraglichen Obliegenheiten rechtsanwaltlich vertreten zu lassen, um prüfen zu können, inwieweit der Versicherer mit seinen Einwendungen im Recht ist.