In unserem Beitrag https://www.kanzlei-hgk.de/olg-celle-anspruch-auf-herausgabe-der-rohmessdaten/ hatte ich bereits berichtet, dass das Oberlandesgericht Celle die ( richtige ) Rechtsauffassung vertritt, dass der Betroffene einer Geschwindigkeitsmessung einen Anspruch auf Einsicht in die Rohmessdaten der Messung hat. Denn er muss die Richtigkeit des gegen ihn gerichteten Vorwurfs überprüfen können, notfalls unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen.
Dies sieht aktuelle auch der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes im Beschluss vom 27.04.2018, Lv 1/18 so. Er führt aus:
„Die Richtigkeitsvermutung kann der Betroffene eines Bußgeldverfahrens nur angreifen, wenn er konkrete Anhaltspunkte für einen Fehler im Rahmen der Messung vorträgt. Es wird ihm also eine Beibringungs- bzw. Darlegungslast auferlegt (Cierniak, ZfS 2012, 664 [669]). Diese Punkte vorzutragen, also die erfolgversprechende Verschaffung rechtlichen Gehörs, wird ihm jedoch unmöglich gemacht, wenn die Messdaten als die Grundlage der Messung nicht für eine sachverständige Untersuchung zur Verfügung gestellt werden (OLG Celle, Urteil vom 16.6.2016 – 1Ss OWi 96/16 -, NJOZ 2017, 559 Rn. 5; Deutscher, DAR 2017, 723; Cierniak, ZfS 2012, 664 [669]). Letztlich wird er unter Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens als Objekt des Verfahrens behandelt, dem wesentliche Mitwirkungsrechte versagt werden bzw. welches diese nicht effektiv ausüben kann.“
Es stellt sich hieran anknüpfend die Frage, was passiert, wenn es keine Rohmessdaten gibt.
Kann doch nicht sein, könnte man denken. Ein Messgerät muss die Daten doch speichern. Könnte man meinen, ist aber nicht so. Denn es gibt einige Messsysteme, bei denen nach Gewinnung des Messwertes solche Daten gelöscht werden.
Dies betrifft hier in der Region z. B. das Messgerät Leivtec XV3, welches zum Beispiel im Landkreis Heidekreis oder auch im Landkreis Verden eingesetzt wird.
In konsequenter Fortentwicklung seiner Rechtsprechung kommt der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Beschluss vom 05.07.2019, 7/17 für diesen Fall zu folgendem Ergebnis:
„Zu den grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verurteilung einer Bürgerin oder eines Bürgers gehört, dass er die tatsächlichen Grundlagen seiner Verurteilung zur Kenntnis nehmen, sie in Zweifel ziehen und sie nachprüfen darf. Danach bedarf die Verteidigung eines Betroffenen der Rohmessdaten nur dann nicht, wenn ihr andere, gleichermaßen zuverlässige Verteidigungsmittel zur Verfügung stehen. Das ist indessen – so außerordentlich selten Fehler festgestellt werden mögen – nicht der Fall.“
Der Verfassungsgerichtshof hat sodann richtigerweise die Verurteilung des Betroffenen aufgehoben, da ihm keinerlei Möglichkeit gegeben ist, die Richtigkeit der Messung in Zweifel zu ziehen.
Es bleibt abzuwarten, ob andere Gericht dem folgen.
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