Die Einführung des Mindestlohnes hat auch Auswirkungen auf die Gestaltung der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen. Damit soll sich im Folgenden auseinandergesetzt werden.

Zur Erinnerung:

Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, unterliegen Ansprüche der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, welche mit Ablauf des Jahres beginnt, in welchem der Anspruch entstanden ist.

Der Anspruch auf das Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers für Juni 2015 beispielsweise wird regelmäßig Anfang des Folgemonats fällig. Die Verjährung des Anspruchs tritt sodann mit Ablauf des 31.12.2018 ein.

Die meisten Tarifverträge, aber auch viele Arbeitsverträge, enthalten sogenannte Ausschlussfristen, welche die Geltendmachung von vertraglichen Ansprüchen schon vorher ausschließen sollen. Zulässig sind zweistufige Ausschlussfristen für die vorgerichtliche und dann die gerichtliche Geltendmachung mit Fristen von jeweils drei Monaten nach Fälligkeit.

Auf unser Beispiel angewandt hieße das, dass das Entgelt für Juni 2015, welches am 01.07.15 fällig wurde, gegenüber dem Arbeitgeber spätestens bis zum 01.10.15 schriftlich geltend gemacht werden muss. Anderenfalls wäre der Anspruch des Arbeitnehmers ausgeschlossen. Zahlt der Arbeitgeber das Entgelt sodann nicht, müsste der Anspruch innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten gerichtlich geltend gemacht werden.

Seit dem 01.01.2015 gilt das Mindestlohngesetz (MiLoG), welches einen Mindestlohn von 8,50 Euro vorschreibt. In § 3 MiLoG ist folgende Regelung festgehalten: „Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.“

Eine Ausschlussfrist, die ausdrücklich auch Ansprüche aus dem MiLoG ausschließen soll, dürfte daher sicher in jedem Falle insgesamt unwirksam sein.

Problematischer ist die Frage, ob die bisherigen Standard-Ausschlussklauseln, die sich zum Mindestlohn ausschweigen, von der Rechtsprechung als unwirksam betrachtet werden, da sie intransparent (§ 307 Abs.1 Satz 2 BGB) sind und den Arbeitnehmer verwirren können. Die Unwirksamkeit wäre dann unabhängig davon gegeben, ob es sich um einen Anspruch aus dem MiLoG handelt oder nicht.

Auf unseren Beispielsfall bezogen bedeutet dies, dass der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers für den Beschäftigungsmonat Juni 2015 auch noch nachdem dem 01.10.16, nämlich bis Eintritt der gesetzlichen Verjährung, durchsetzbar wäre.

Gegen eine Unwirksamkeit der Klausel insgesamt spricht zunächst die Formulierung des Gesetzgebers in § 3 MiLoG der die Unwirksamkeit nur „insoweit“ kodifiziert hat. Allerdings ist es so, dass das Bundesarbeitsgericht (BAG) in der Vergangenheit immer eine strenge und formalistische Auffassung vertreten hat und Klauseln bereits bei der geringsten Unklarheit insgesamt gekippt hatte.

Das BAG hat so denn auch nunmehr in einem ähnlichen Fall angenommen, dass die Ausschlussfrist insgesamt für alle Ansprüche unwirksam ist, wenn die Ausschlussfrist gesetzliche Mindestentgeltansprüche nicht von der Anwendung ausdrücklich ausschließt (BAG Urt. v. 26.08.16 – 5 AZR 703/15). Diesem Fall lag jedoch eine mit § 3 MiLoG lediglich vergleichbare Regelung des Arbeitnehmer-Entgeltgesetzes, nämlich § 9 AEntG, zugrunde. Daher ist die Entscheidung nicht eins zu eins übertragbar.

Dennoch spricht die identische Interessenlage klar dafür, dass das BAG auch in Bezug auf § 3 MiLoG genauso urteilen wird.

Es ist also dringend erforderlich, beim Abschluss neuer Arbeitsverträge die Ausschlussfrist entsprechend zu ergänzen. Ich schlage dazu die folgende Formulierung vor, wobei ich die meiner Auffassung nach erforderliche Ergänzung als Ziffer 5 eingefügt und fett markiert habe:

   Ausschlussfristen

  1. Beide Vertragsparteien können Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur schriftlich innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten ab Fälligkeit geltend machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, dass der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, diese Frist einzuhalten.
  1. Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach der Ablehnung oder nach Ablauf der vorgenannten 2-Wochen-Frist gerichtlich geltend gemacht wird.
  1. Der vorgenannten Ausschlussfristen unterfallen auch alle Ansprüche wegen Überstunden und Mehrarbeit, soweit sie nicht auf einem Arbeitszeitkonto gesondert geführt werden.
  1. Unter die Verfallsklausel fallen nicht solche Ansprüche, die auf einer strafbaren Handlung, einer unerlaubten Handlung i.S.d. §§ 823 ff. BGB oder in sonstiger Weise auf Vorsatz gestützt werden. Für diese Ansprüche gelten die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften.
  1. Vorstehende Ausschlussfristen gelten auch nicht für gesetzliche Mindestentgeltansprüche des Arbeitnehmers. Nur über einen Mindestentgeltanspruch hinausgehende Vergütungsansprüche des Arbeitsnehmers unterliegen weiterhin den vertraglich (oder tarifvertraglich) geltenden Ausschlussfristen.

In der vorgenannten Entscheidung des BAG ist noch die Besonderheit zu berücksichtigen, dass der Arbeitsvertrag und somit auch die Klausel nach Inkrafttreten des AEntG geschlossen wurde, es sich somit nicht um einen Altfall handelte. Ob eine Unwirksamkeit der Ausschlussklauseln auch für Arbeitsverträge die vor Inkrafttreten des MiLoG, also dem 01.01.15, geschlossen wurden durch die Rechtsprechung angenommen werden wird, vermag ich nicht zu sagen. Möglich erscheint dieses aber allemal.

Ich rate Arbeitgebern daher zur Sicherheit dazu, die Arbeitnehmer zumindest anzuschreiben und darüber zu informieren, dass die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen nicht für gesetzliche Mindestentgeltansprüche, sondern nur für darüber hinausgehende Ansprüche gelten sollen. Damit dürfte eine Auslegung dann dazu führen, die Klausel als wirksam zu erachten. Der sicherste Weg wäre natürlich der Abschluss entsprechender Änderungsverträge. Dieser Weg dürfte sich jedoch meist als zu beschwerlich erweisen oder aus anderen Gründen ungangbar sein.

Letztverbindliche Sicherheit gibt es zudem im Arbeitsrecht für den Arbeitgeber bekanntermaßen nicht.

Soweit Sie im Einzelfall Nachfragen zu diesem Themenkomplex haben, setzten Sie sich gerne mit uns in Verbindung. Ich berate Sie gerne.